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Überblick: Sekundäre Pflanzenstoffe - Phytochemikalien

Sekundäre Pflanzenstoffe spielen eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit. Sie stärken das Immunsystem, fördern die Darmgesundheit und können sogar vor Krebs schützen. Erfahren Sie, warum eine bunte Ernährung mehr ist als nur Genuss und weshalb Bio-Produkte oft mehr dieser wertvollen Stoffe enthalten.

In sekundären Pflanzenstoffen steckt sehr viel gesunde Vitalkraft. Ihre beste Quelle ist eine abwechslungsreiche und farbenfrohe Pflanzenküche mit möglichst frischen Zutaten, auch als 'Eat the Rainbow' bekannt. Diese gesunde Ernährungsvielfalt unterstützt nicht nur Darmflora und Immunabwehr, sondern schützt auch vor Krebs und anderen Krankheiten.

Unsere Kurzdarstellung zeigt Ihnen, wie diese natürlichen Substanzen nicht nur den Pflanzen selbst, sondern auch uns Menschen zugutekommen. Tiefergehende Erläuterungen und chemische Details behandeln wir im ausführlichen Blogbeitrag Sekundäre Pflanzenstoffe - Phytochemikalien. Dort finden Sie auch zusätzliche Quellenbelege.

1. Definition und Grundlagen

Sekundäre Pflanzenstoffe (SP) kommen in allen Pflanzen vor und verleihen ihnen u.a. Farbe, Duft und Geschmack. Dadurch bringen sie ihnen entscheidende Vorteile im Überleben. Man unterscheidet SP dem Namen nach von primären Pflanzenstoffen wie Kohlenhydraten, Eiweissen, Fetten und Mikronährstoffen. Primärstoffe sind für den Energiestoffwechsel von Pflanzen und Menschen essenziell notwendig,2,3,4 während Sekundärstoffe bzw. Sekundärmetaboliten hauptsächlich für den Fortbestand einer Pflanzenart zuständig sind.1,2,4,6,13,14

Jedoch betonen neuere Publikationen häufig, dass diese starren Unterscheidungen veraltet sind. Weil SP multifunktionaler wirken als angenommen, verschwimmen die Grenzen zwischen Primär- und Sekundärstoffwechsel immer stärker.2,3,4,14

Für uns Menschen stehen bei üblichen Verzehrmengen positive Effekte deutlich im Vordergrund. Zahlreiche SP spielen besonders für die Abwehr von Krankheiten und für das Mikrobiom im menschlichen Darm eine essenzielle Rolle. Allerdings können bestimmte SP in der Natur auch toxische Funktionen haben, z.B. zum Schutz der Pflanze vor Fressfeinden. Daher hängt ihre Wirkung auf uns Menschen stark von der Dosierung und dem natürlichen Zusammenspiel mit anderen Pflanzeninhaltsstoffen ab.6,16

Der Gesundheitswert eines Lebensmittels beruht oft auf der Kombination von verschiedenen SP und von dessen Pflanzeninhaltsstoffen, die nur gemeinsam eine besondere Wirkung zeigen (siehe unten bei: Vorkommen in Lebensmitteln).

Heutzutage ist es nicht einfach, an objektives Wissen über einen naturnahen Nahrungsstil zu gelangen. Industrie und relevante öffentliche Institutionen informieren wenig umfassend bis gar nicht, weil möglicherweise wirtschaftliche Interessen zu sehr im Vordergrund stehen. Dies möchten wir ändern: In unseren gut 600 Lebensmittelbeschreibungen (Zutaten zu den Rezepten) beleuchten wir daher, wo immer möglich, auch die Wirkungen der SP.

Funktionen für die Pflanzen

Unter den zahlreichen Funktionen von pflanzlichen Sekundärmetaboliten stechen zwei besonders hervor: die Rolle als Schutz- oder Abwehrmechanismus und die Rolle als Lockstoff.1,2,4

Viele SP sind bekannt für ihre antibiotischen, antimykotischen und antiviralen Effekte. So schützen sie die Pflanzen vor äusseren Gefahren, wie z.B. krankheitserregenden Mikroorganismen. Andere schrecken pflanzenfressende Insekten durch Signalfarben, einen abstossenden Geruch oder Geschmack ab - meist in Kombination mit giftigen Pflanzenbestandteilen. Einige sekundäre Metaboliten bewahren die Pflanzen vor UV-Strahlung, Sauerstoffradikalen und fördern die Wachstumsregulation.

Als Duftstoffe oder Farbgeber locken SP Tiere wie Insekten und Vögel zur Bestäubung oder Verbreitung der Samen an. Oft sind bestimmte SP (oder Pflanzenstoffgruppen) oder deren Kombinationen charakteristisch für einzelne Pflanzenarten.2,3,4,6,14

Vorteile für uns Menschen

Seit der frühen Menschheitsgeschichte nutzt die Naturheilkunde die Wirksamkeit von SP in Lebensmitteln, Gewürzen, Extrakten, Arzneien, Räucher- und Farbstoffen.5

Die moderne Forschung identifizierte bis anhin ca. 100'000 unterschiedliche Substanzen unter den pflanzlichen Sekundärstoffen, wobei die Anzahl der analysierten Pflanzen noch relativ gering bleibt.5,11

WissenschaftlerInnen beschreiben ihr Wirkspektrum auf den menschlichen Körper als vielfältig und nennen u.a. folgende Effekte: krebshemmend bzw. antikanzerogen / antitumoral, antimikrobiell, antioxidativ, antithrombotisch, immunmodulierend, entzündungshemmend, blutdruckregulierend, cholesterinsenkend sowie verdauungsfördernd. Dabei ist die Anzahl an SP mit krebshemmenden Auswirkungen auffallend hoch. Nachweise für diese Wirkungen ergeben sich aus verschiedenen Beobachtungsstudien bei In-vitro-Versuchen und Tierexperimenten.4,5,10,11

Sekundäre Pflanzenstoffe wirken über die mit der üblichen Ernährung aufgenommenen Mengen. Die alleinige Einnahme eines Stoffes in Form von Nahrungsergänzungsmitteln ist problematisch, da zu hohe Dosen negative Folgen haben können.16 Weitere Details und Tipps für den Alltag behandeln wir im 3. und 4. Kapitel.

Was bedeutet "Eat the Rainbow"?

Diese Anregung für eine gesunde Ernährungsweise geht von folgendem Prinzip aus: Wir erreichen eine ausgewogene Ernährung, indem wir möglichst das gesamte Farbspektrum an natürlicher Pflanzenkost geniessen.

Tatsächlich hängen die Farben von vielen pflanzlichen Lebensmitteln mit deren Gehalt an einem bestimmten Sekundärstoff zusammen; somit bringt eine farbliche Abwechslung automatisch eine Abwechslung bei den Inhaltsstoffen mit sich. Das ist aber nur die sprichwörtliche Kirsche auf der Torte.

Letztlich sind es primär die naturgegebenen Synergien der Inhaltsstoffe in der unverarbeiteten Pflanzenkost, die uns nützlich sind. Der farbenfrohe Regenbogen ist also als Sinnbild zu verstehen und sollte einen saisongerechten, regional orientierten Speiseplan sowie schonende Zubereitungsmethoden einschliessen.

2. Klassifizierung der sekundären Pflanzenstoffe

Verschiedene Pflanzenteile wie Samen, Blüten, Früchte, Blätter, Stängel, Rinde, Rhizome und Wurzeln enthalten SP in eher geringen Mengen. Vorkommen und Zusammensetzung variieren je nach Pflanzenart, Entwicklungsstadium und Umweltbedingungen. Diverse Stoffe ergeben eine breite Palette an eng verwandten Strukturen. Dabei übernehmen Verbindungen mit ähnlichen Bauprinzipien häufig unterschiedliche biologische Funktionen.4

Aufgrund der vielfältigen Strukturvarianten finden sich in der Literatur abweichende Klassifikationsmöglichkeiten, entweder nach physiologischen oder chemischen Gesichtspunkten. Für eine wissenschaftlich gestützte Grundübersicht4,10,15 schlagen wir folgende Einteilung in Stoffhauptgruppen vor:

Stoffhauptgruppen

  • Isoprenoide: Monoterpene und Monoterpenoide (Ätherische Öle, Iridoide), Sesquiterpene und Sesquiterpenoide (Germacranolide, Guajanolide), Diterpene und Diterpenoide (Ginkgolide), Triterpene und Triterpenoide (Steroide, Saponine), Tetraterpene und Tetraterpenoide (Carotinoide)
  • Alkaloide: Pyridine, Tropane, Pyrrolizidine, Indole, Chinoline, Phenethylamin-Alkaloide, Phenyl-Alkaloide

  • Polyphenole: Phenolsäuren (Hydroxybenzoesäuren und Hydroxyzimtsäuren), Flavonoide (Flavonole, Flavanole, Anthocyane, Flavone, Flavanone, Flavanonole und Isoflavone), Coumestane, Catechole, Lignane, Stilbene, Tannine, Xanthone und Glycoside

  • Organische schwefelhaltige Verbindungen: u.a. Senfölglycoside, Sulfide

  • Weitere stickstoffhaltige Verbindungen: u.a. biogene Amine, Betalaine, cyanogene Glycoside

  • Weitere organische Verbindungen: u.a. Phenylpropanoide, Cumarine, Lactone (Phthalide), Chinone, Aldehyde, Alkohole, Ester, Ketone, Alkane, Hydroxycarbonsäuren

  • Protease-Inhibitoren: Phytinsäure, Chlorophyll, Lektine

Beispiele für typische Zutaten finden Sie weiter unten im Kapitel 5. Ausführliche Erklärungen zu oben genannten Stoffgruppen und zu einzelnen Vertretern lesen Sie in unserem Blogbeitrag Sekundäre Pflanzenstoffe - Phytochemikalien.

3. Vorkommen in Lebensmitteln

Weil pflanzliche Lebensmittel stets eine Kombination von mehreren SP mit sich bringen und zudem mit diversen Nährstoffen im Verbund wirken, ist dieser naturgetreue Mix nachweislich gesünder als die Summe der einzelnen Bestandteile.

Viele Forschungspublikationen liefern für einzelne Lebensmittel Aufzählungen von vorhandenen SP oder Listen mit typischen Lebensmitteln, die sich durch einen oder mehrere Sekundärstoffe auszeichnen. Dies lenkt jedoch von einer Gesamtperspektive ab, die für den konkreten Ernährungsalltag unverzichtbar ist. Daher haben wir die Zusammenstellung der Beispielzutaten für einzelne Stoffhauptgruppen bzw. konkrete SP ins Kapitel 5 verschoben - und betrachten sie als Zusatzinformation (siehe: Wissenswertes).

Unsere Tipps für eine optimale Versorgung mit SP lauten:

  • Setzen Sie auf eine grösstmögliche und saisonale Vielfalt an Gemüse, Obst, Nüssen, Samen, Getreide und Hülsenfrüchten sowie Heil- und Gewürzpflanzen. So profitieren Sie vom gesamten Potenzial der SP.
  • Bevorzugen Sie eine naturnahe Ernährung, welche möglichst wenig in die natürliche Zusammensetzung der SP eingreift. Das bedeutet: Essen Sie pflanzliche Lebensmittel möglichst roh und unverarbeitet oder bereiten Sie sie auf eine schonende Art und Weise zu. Im Kapitel 5 haben wir Hinweise zur Reduktion von potenziell toxischen Stoffen durch Kochen, Einlegen oder Keimen in eckigen Klammern platziert.
  • Sekundäre Pflanzenstoffe lokalisiert man oft in höheren Konzentrationen in den Randschichten. Schälen Sie also v.a. Gemüse und Obst immer mit Bedacht.
  • Kaufen Sie Bio-Produkte: Einige Publikationen unterstreichen, dass der Polyphenol- und der Carotinoidgehalt von Gemüse aus ökologischem Anbau tendenziell höher ist als der von Gemüse aus konventionellem Anbau oder aus Hydrokulturen.17,18 Weitere Forschungsarbeit zu diesem Thema ist notwendig und erwünscht. Zudem ist bei Lebensmitteln aus biologischem Anbau auch die Schale weniger pestizidbelastet.

Bioverfügbarkeit

Die Bioverfügbarkeit gibt an, wie schnell und wie gut wir einen Nährstoff oder einen sekundären Pflanzenstoff im Körper aufnehmen - und wie gut er wirken kann. Bei SP hängt dies u.a. stark von der Zusammensetzung des pflanzlichen Lebensmittels und von der Zubereitungsart ab. Wichtig ist eine bewusste Auswahl mit Fokus auf Reifegrad, Herkunft (Wildformen, alte Sorten), Saisonalität und geringe bzw. schonende Verarbeitung.6,7

Für eine positive Wirkung ist das Zusammenspiel von verschiedenen Komponenten eines Lebensmittels entscheidend, da auch im menschlichen Körper eine Vielzahl an biochemischen Prozessen gleichzeitig abläuft. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die gleichzeitige Aufnahme von Quercetin (z.B. aus Schnittlauch oder Beeren) und Vitamin C aus Zitrusfrüchten die antioxidative Aktivität im Körper verstärkt. Die Kombination von Curcumin (Kurkuma) mit Piperin (schwarzer Pfeffer) erhöht nachweislich die Bioverfügbarkeit von Curcumin. Gemeinsam steigern diese Stoffe die entzündungshemmenden Eigenschaften.16

Umgekehrt ist Phytinsäure vorwiegend dafür bekannt, die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen zu hemmen. Betroffen sind primär Eisen, Zink, Kalzium, Kupfer und Magnesium. Einweichen, Mahlen, Kochen, Keimen, Fermentieren und ausgiebiges Kauen der Lebensmittel verringern diese negative Wirkung. Daneben betonen neuere Forschungen aber auch zahlreiche Vorteile.19,20,21 Lesen Sie mehr darüber in unserem Artikel über Phytinsäure.

Carotinoide sind fettlösliche Pflanzenfarbstoffe. Diverse Faktoren wie Sorte, Reifestadium, Handhabung nach der Ernte und Verarbeitung beeinflussen den Gehalt stark. Auch können verschiedene Teile derselben Pflanze unterschiedliche Arten und Mengen von Carotinoiden enthalten: So ist die Schale von Früchten im Allgemeinen reicher an Carotinoiden als das Fruchtfleisch.4 Grundsätzlich gilt ihre Bioverfügbarkeit in rohen Lebensmitteln als eher gering.3,4,6

  • Das bedeutet, dass die durchdachte Zubereitung bzw. bestimmte Arten der Konsumation die Aufnahme von Carotinoiden merklich erhöhen können.
  • Erwiesenermassen steigern Faktoren wie Zerkleinern, Kochen oder Fettzugabe ihre Zugänglichkeit und damit auch ihre Resorption. Dabei spielt die Zerkleinerung die grösste Rolle (z.B. gut kauen, raffeln oder mixen).
  • Unsere Tipps für eine optimale Carotinoidaufnahme und Quellenbelege finden Sie im Nährstoffbeitrag über Carotinoide.

Lager- und Zubereitungsverluste

Wie oben erwähnt enthalten Randschichten von Obst, Gemüse, Getreide, Nüssen und Samen oft mehr SP als der Rest des Lebensmittels. Damit nicht wertvolle Stoffe im Grünabfall landen, sollten wir - wo möglich - die Schale bzw. Haut mitessen.

Lager- und Zubereitungsverluste sind für die Gruppe der Polyphenole am gründlichsten erforscht; die Untersuchungen decken aber noch lange nicht das ganze Spektrum ab. Einen grossen Effekt kann der Kochvorgang haben: Zwiebeln und Tomaten verlieren durch 15-minütiges Kochen zwischen 75 % und 80 % ihres ursprünglichen Quercetingehalts, durch Kochen in der Mikrowelle 65 % und durch Frittieren 30 %. Dampfgaren von Gemüse, das ein Auslaugen vermeidet, ist vorteilhafter.

Kartoffeln enthalten bis zu 19 mg Chlorogensäure pro 100 g, hauptsächlich in der Schale. Beim Kochen entstehen grosse Verluste. In Pommes frites oder gefriergetrocknetem Kartoffelpüree finden sich keine Phenolsäuren mehr.

Während die Lagerung von Äpfeln kaum Auswirkungen auf die phytochemische Zusammensetzung der Früchte hat, kann die Verarbeitung diese stark beeinflussen. Mehr erfahren Sie bei der Zutat Apfel, roh, mit Schale.

Ebenso beeinflusst die industrielle Lebensmittelverarbeitung durch Schälen und Zerkleinern von Obst (Marmelade, Kompott), Hülsenfruchtsamen und Getreide den Polyphenolgehalt negativ. Klärungs- oder Stabilisierungsschritte entfernen dabei Flavonoide, die für Verfärbungen und Trübungen verantwortlich sind. Hergestellte Fruchtsäfte weisen daher einen geringen Flavonoidgehalt auf. Die bei dieser Verarbeitung verwendeten pektinolytischen Enzyme hydrolysieren auch die Ester der Hydroxyzimtsäure. Umgekehrt erleichtern Mazerationsvorgänge die Diffusion von Polyphenolen im Saft, wie dies beim Keltern von Rotwein der Fall ist. Diese Mazeration trägt dazu bei, dass der Polyphenolgehalt von Rotweinen zehnmal so hoch ist wie der von Weissweinen und auch höher ist als der von Traubensaft.17,22

Röstprozesse haben je nach SP-Kategorie sehr unterschiedliche Effekte, die in Abhängigkeit der Forschungslage besser oder schlechter belegt sind. Wir raten generell davon ab, Lebensmittel bei hohen Temperaturen zu rösten, weil dabei hitzeempfindliche Stoffe zu Schaden kommen und die Maillard-Reaktion zur Bildung von gesundheitsschädlichem Acrylamid führt. Darüber informiert z.B. die Zutat Pistazien, geröstet.

4. Wirkungen und Nutzen für die Gesundheit

Durch eine hohe Zufuhr an Obst- und Gemüsesorten mit vielen SP sinkt das Risiko für Zivilisationskrankheiten gemäss epidemiologischen Studien deutlich.18 Einen Überblick über das vielfältige Wirkspektrum der sekundären Pflanzenstoffe bringen wir weiter oben (siehe Kapitel: Vorteile für uns Menschen).

Gerade weil Sekundärmetaboliten vorwiegend im natürlichen Verbund wirken, ist die Fixierung auf einen Einzelstoff nicht sinnvoll (siehe oben: Vorkommen in Lebensmitteln). Trotzdem ist z.B. die Identifizierung von besonders krebshemmenden, stark verdauungsfördernden oder Herz-Kreislauf-freundlichen Lebensmitteln möglich.

Gewisse SP fördern selektiv das Wachstum bestimmter Bakterien in der Darmflora, weshalb man sie gern als "Präbiotika" bezeichnet.10,12

  • Nennenswert sind apigeninreiche Lebensmittel wie Petersilie und Sellerie, aber auch Zwiebeln, Koriander und Kamille.
  • Flavanone in Zitrusfrüchten helfen der Darmflora sowohl durch Unterdrückung von schädlichen Mikroben als auch durch Aktivierung von nützlichen Mikroben.10 Grapefruits und Orangen sind besonders reich an diesen Stoffen.
  • Unter den Flavonolen hat u.a. Quercetin das Forschungsinteresse auf sich gezogen.12 Studien bestätigen positive Wirkungen von besonders quercetinhaltigen Lebensmitteln wie Beeren, Äpfeln oder Grünkohl.10
  • Curcumin in der Kurkuma-Wurzel gilt als guter Regulator des Darm-Mikrobioms.
  • Lignane versprechen eine Verbesserung der Mikroflora im Darm. Spitzenreiter in Sachen Lignangehalt8,17 sind Leinsamen.
  • Auch Carotinoide zeigen positive Wirkungen durch die Förderung von nützlichen Darmbakterien. Beispiele sind Schwarze Johannisbeeren, Tomaten, Wassermelonen.

Auffallend viele SP haben krebshemmende Wirkungen. Die Forschungsliteratur informiert gut über Effekte gegen bestimmte Krebsarten.23

  • Gut dokumentiert ist z.B. die Verringerung des Risikos durch β-Carotin für Lungen-, Prostata-, Speiseröhren- sowie Gebärmutterhals-, Magen- und Dickdarmkrebs (z.B. aus Karotten, Kürbis, Kohl, Spinat; siehe: Carotinoide).
  • Saponinen sagt man eine Wirkung gegen Kolonkrebs23 nach (z.B. aus Hülsenfrüchten, Auberginen oder Fenchel).
  • Phenolverbindungen wie Curcumin beeinflussen den Zellzyklus und hemmen das Wachstum von bösartigen Tumoren, wie z.B. Hauttumoren24,22 (z.B. aus Curcuma).
  • Leinsamen zeigen u.a. dank ihren Lignanen eine signifikante Schutzwirkung gegen Brustkrebs8 (siehe Leinsamen, roh, bio?).
  • Avocados schreibt man Potenzial zur Risikominderung bei benigner Prostatahyperplasie zu, da sie viel Beta-Sitosterol enthalten (siehe dort).
  • Äpfel schützen als einmalige Nährstoffkombination vor oder bei Krebs in Mundhöhle und Rachen, Speiseröhrenkrebs, Darmkrebs, Kehlkopfkrebs, Brustkrebs, Eierstockkrebs und Prostatakrebs (siehe Zutat Apfel, roh, mit Schale).

Besonders förderlich für die Herz-Kreislauf-Gesundheit sind phenolische Verbindungen in Nüssen.25 Wir empfehlen hauptsächlich Nüsse mit günstigem LA-ALA-Verhältnis, also Walnüsse und Macadamianüsse, natürlich auch in Kombination mit anderen Nüssen und Samen.

Ein wunderbares Beispiel für die Wirkungsvielfalt eines natürlichen Lebensmittels ist der Apfel. Seine wohltuenden Effekte auf Magen und Darm beschränken sich nicht nur auf den hohen Quercetingehalt, sondern kommen ebenso von den Pektinen. SP in Äpfeln sind ausserdem wichtige Antioxidantien und hemmen das Wachstum von Krebszellen, beeinflussen die Blutfettwerte (den Cholesterinspiegel) positiv und schützen u.a. das LDL-Cholesterin vor Oxidation. Hinzu kommen diverse Vorteile wie der Schutz des Magen-Darm-Traktes vor der Einwirkung von Arzneimitteln, ein gutes Gewichtsmanagement, Wirkungen gegen Osteoporose, die Aufrechterhaltung der Lungenfunktion sowie Risikominderung bei Diabetes (siehe Zutat Apfel, roh, mit Schale).

5. Wissenswertes

Für interessierte LeserInnen folgen im untenstehenden Click For ausgewählte Beispiele von typischen Lebensmitteln, die reich sind an einem bestimmten Sekundärstoff / an einer bestimmten Stoffgruppe. Die pflanzlichen Zutaten sind geordnet nach den oben definierten Stoffhauptgruppen (siehe Kapitel 2: Klassifizierung der sekundären Pflanzenstoffe). Auch hierzu finden Sie Ausführungen und ergänzende Quellen im Blogbeitrag Sekundäre Pflanzenstoffe - Phytochemikalien.

Typische Lebensmittel, geordnet nach Stoffhauptgruppen

Isoprenoide:

  • Terpene und Terpenoide5,9 finden sich in vielen Gewürz- und Heilpflanzen und prägen z.B. das Aroma von Zitrusfrüchten und Pflanzenteilen von Nadelbäumen. Ätherische Öle bestehen hauptsächlich aus Terpenen und Terpenoiden.
    • Thymian, Salbei, Oregano, Majoran, Bohnenkraut, Rosmarin, Estragon
    • Zypresse, Birkenblätter
    • Zitronengras, Ingwer, Koriander
    • Ceylon-Zimt, schwarzer Pfeffer, Fenchelsamen
    • Kamille, Pfefferminze, Melisse
    • Knoblauch, Schnittlauch, Kapuzinerkresse
    • Clementinen, Limetten, Orangen
    • Walnüsse, Hanfsamen, Pinienkerne, Pistazien, Mandeln, Erdnüsse
  • Beta-Sitosterol ist ein Phytosterin, das insbesondere bei Pflanzenölen erforscht ist. Naturbelassene Quellen: Hier gelten Avocados als gute Lieferanten, ebenso Rapsöl, diverse Nüsse und frisches Gemüse (siehe Beta-Sitosterol).
  • Unter den Tetraterpenen sind die Carotinoide eine wichtige Stoffgruppe.11 Sie sind für die gelbe, orange und rote Färbung in Obst und Gemüse verantwortlich, kommen aber auch in grünen Gemüsesorten, Kräutern und Getreide vor.
    • Reich an Carotinoiden sind z.B. Kräuter wie Petersilie, Basilikum, Koriander, Dillkraut und Kerbel.
    • β-Carotin ist charakteristisch und farbbestimmend für Karotten und Süsskartoffeln, aber auch reichlich vorhanden in Spinat.
    • Lycopin ist dominant in Tomaten (getrocknet und roh), Guave, Wassermelone, Papaya und Grapefruit sowie in einigen Arzneidrogen wie Hagebutte, orangefarbenen Ringelblumen, Weidenröschen und Steinpilzen.
    • Lutein und Zeaxanthin sind in grösseren Mengen in Goji-Beeren, Löwenzahn, Brennnesseln, Kapuzinerkresse, Ringelblume, Grünkohl, Radicchio, Spinat, Mangold, Rotalgen und Gartenkresse vorhanden. Lutein ist das dominanteste Carotinoid in den meisten Weizensorten.

Alkaloide: Bekannte Alkaloide sind z.B. Koffein, Theobromin und Solanin.

  • Koffein kommt in Pflanzen wie Kaffee, Tee, Kakao oder Guaraná vor.
  • Theobromin ist das wichtigste Alkaloid in Kaffee, Tee und Kakao bzw. Schokolade.
  • Auch das toxische Solanin gehört hierher (z.B. in Kartoffeln [durch Kochen reduzieren!]).
  • Ebenso Piperin, das für den scharfen Geschmack von Pfeffer verantwortlich ist.

Polyphenole: Polyphenole treten in hohen Konzentrationen auf, u.a. als Farbstoffe, Geschmacksstoffe und Gerbstoffe. Quercetin findet man in fast allen Pflanzen und deren Produkten, während andere Stoffe charakteristisch für bestimmte Lebensmittel sind.17

  • Quercetin liefern z.B. Kapern, Zwiebeln und Schnittlauch; am reichsten sind Beeren, Äpfel und Grünkohl.10
  • In Äpfeln kommen vorwiegend Phenolsäuren und Flavonoide vor.18
  • Vor allem Walnüsse und Pekannüsse, aber auch Macadamianüsse gelten als gute Quelle für Flavonoide.25
  • Zitrusfrüchte enthalten viele Flavanone.17
  • Sojabohnen sind besonders reich an Isoflavonen.
  • Heidelbeeren sind eine gute Quelle für Kaffeesäure (eine Hydroxyzimtsäure)9 sowie für Anthocyane.
  • Anthocyane färben Pflanzenteile rosa, rot, blau oder violett, z.B. Auberginen, rote Trauben, Rhabarber, Brombeeren, Kirschen, Erdbeeren und erwähnte Heidelbeeren.
  • Curcumin ist der farbgebende Hauptbestandteil von Kurkuma (Curcuma).
  • Leinsamen sind die reichste Lignanquelle in der Pflanzenwelt (Phytoöstrogene).8,17

Organische schwefelhaltige Verbindungen:

  • Das typische Aroma von Senf, Meerrettich, Kohlarten, Kapuzinerkresse, Brunnenkresse ist den Senfölglycosiden zu verdanken.
  • Sulfide, v.a. Alliin, prägen den unverwechselbaren Geruch von Knoblauch, Zwiebeln, Schnittlauch, Schalotten, Lauch und Bärlauch.

Weitere stickstoffhaltige Verbindungen:

  • Cyanogene Glycoside dienen als Abwehrmittel gegen Pflanzenfresser und setzen nach einer Gewebeschädigung giftige Blausäure frei. Natürlich kommen sie z.B. in Kirschlorbeer, Holunderbeeren und Maniok vor [durch Kochen reduzieren!].
  • Mandelkerne enthalten wenig Amygdalin, sodass man sie roh essen kann.

Weitere organische Verbindungen:

  • Hierzu zählen u.a. Anethol in Anisöl, Eugenol in Gewürznelken oder Vanillin (alles Phenylpropanoide).
  • Cumarin-Lieferanten sind z.B. Tonkabohnen, Schafgarbe, Liebstöckel oder Buchweizen.
  • Hydroxycarbonsäuren sind u.a. Apfelsäure (säuerliche Äpfel), Weinsäure (u.a. Trauben, Bananen, Avocados), Zitronensäure (Zitrusfrüchte) oder Milchsäure (Spargelbohnen).

Protease-Inhibitoren:

  • Phytinsäure ist als wichtiger Phosphorspeicher in den Randschichten von Vollkorngetreide (wie Mais, Weizen, Gerste und Roggen), Hülsenfrüchten (wie Soja) und Ölsaaten (wie Kürbiskernen) präsent. [Durch Kochen, Einlegen, Keimen reduzieren!]
  • Chlorophyll ist reichlich vorhanden in grünem Obst und Gemüse bzw. in verschiedenen Salaten und Kräutern, z.B. Spinat, Grünkohl oder Basilikum.
  • Lektine kommen in den Samen vieler Hülsenfrüchte vor (z.B. Phasin in grünen Bohnen oder Sojabohnen-Agglutinine in reifen Sojabohnen und Edamame). [Durch Kochen reduzieren!]

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