Inhaltsverzeichnis
Für die Herstellung von rohem Sauerkraut (Sauerkohl) verwendet man Spitz- oder Weisskohl (Brassica oleracea convar. capitata var. alba), den man mithilfe von Milchsäurebakterien fermentieren lässt. Das rohe, unpasteurisierte Sauerkraut ist ein gesundheitlich sehr wertvolles Lebensmittel.
Verwendung in der Küche
Kann man Sauerkraut roh essen? Ja, rohes Sauerkraut zu kochen wäre sogar schade um die wertvollen Inhaltsstoffe (siehe Wirkungen auf die Gesundheit).
Die Zubereitung ist einfach, denn Sauerkraut roh zu essen ist am wertvollsten: z.B. als Salat mit anderem Gemüse oder Obst gemischt und mit Öl (z.B. Rapsöl oder Leinsamenöl) und Pfeffer mariniert. Die Zugabe von Salz und Essig ist nicht nötig, da Sauerkraut herstellungsbedingt gesalzen ist und durch die Fermentation Säure mitbringt. Wem Sauerkraut zu sauer ist, kann es vorher mit Wasser kurz abspülen. Den Geschmack kann man auch durch Äpfel, Birnen, Trauben, aber auch durch Wurzelgemüse wie Karotten oder Rote Bete abmildern. Auch vegane süsse oder saure Sahne wirken ausgleichend.
Klassische Gewürze für rohes Sauerkraut sind Wacholderbeeren, Nelken, Pfeffer, Majoran, Kümmel, Lorbeerblätter oder auch mal Minze, Rosmarin, Fenchelsamen oder Bohnenkraut, Estragon. Rohes Sauerkraut schmeckt aber auch ohne weitere Gewürze oder Verarbeitung.
Eigene Zubereitung
Zutaten: einen Weisskohl, Salz (am besten naturbelassen ohne Zusatzstoffe), ca. 500 ml abgekochtes und abgekühltes Wasser mit 2 % Salz.2
Optionale Zutaten: Dill, Meerrettich, Kümmel, Senfsamen, Koriandersamen, Pimentkörner, Wacholderbeeren, Knoblauch, schwarzer Pfeffer, eine kleine Rote Bete oder etwas Rotkraut.
Abgekochte Utensilien: eine grosse Schüssel und ein grosses Bügel-Einmachglas, Fermentierglas oder einen Gärtopf.
Zubereitung: Wichtig bei der Herstellung von Sauerkraut ist Hygiene, Luftausschluss (anaerobe Bedingungen), die Salzkonzentration und weder zu hohe noch zu tiefe Temperaturen; dann kann eigentlich nicht viel schiefgehen.
Zuerst die äusseren Blätter des Kohl entfernen, waschen und zur Seite legen; man braucht sie später. Auch den Kohlkopf äusserlich mit Wasser waschen; um schädliche Bakterien vom Acker oder Transport zu entfernen.
Den Kohlkopf vierteln, den Strunk entfernen. Nun mit einem Gemüsehobel oder einem scharfen Messer den Kohl zu feinen Streifen häckseln. Das Ganze abwiegen und zwei Prozent davon berechnen; das ergibt die benötigte Menge Salz. Das abgewogene Salz mit dem Kraut gleichmässig vermischen. Circa ein Viertel des Krauts in das Fermentier-Gefäss geben, mit sauberen Händen gut in das Gefäss drücken und etwas der optionalen Gewürze hinzugeben. Nun kann man Meerrettich oder rote Rübenscheiben darauf pressen. Das Ganze wiederholen, bis das Kraut aufgebraucht oder das Fermentier-Gefäss bis max. 15 cm unter den Rand befüllt ist. Innerhalb der nächsten Stunde sollte sich genügend Flüssigkeit bilden, um das Gemüse unter Wasser zu setzen. Es ist essenziell, dass das Kraut untergetaucht bleibt während der ganzen Gärzeit. Sollte zu wenig Flüssigkeit enthalten sein, fügen Sie die vorbereitete Salzlake hinzu. Das Kraut sollte mit etwa 5 cm Flüssigkeit abgedeckt sein.
Nun muss man das Kraut beschweren. Andernfalls kommt es während der Gärung an die Oberfläche und verdirbt durch den Kontakt mit Sauerstoff. Im Handel gibt es spezielle Gewichte oder man verwendet ein kleines sterilisiertes Einmachglas. Unter das Gewicht legt man die zu Anfang zur Seite gelegten Krautblätter. Die ersten Tage sollte man das Gewicht im Auge behalten, das entstehende CO2-Gas kann das Gewicht nach oben drücken oder es verschieben. Bei Raumtemperatur (ca. 20 °C) darf das Kraut nun ca. zwei Wochen in Ruhe gären. Sie müssen jeden Tag überprüfen, ob kein Kraut aus der Flüssigkeit herausragt und die Gase ablassen, sofern sie kein spezielles Gärgefäss verwendet haben. Danach kommt das rohe Sauerkraut in den Kühlschrank.
Tipps: Passende Gefässe sind glasierte Keramikgefässe, Glas und Edelstahl. Aluminium, Eisen und Plastik (mit Ausnahme von speziell dafür gemachte Behälter) sind nicht geeignet. Rechnen Sie für einen Gärtopf von 10 Litern eine Menge von 9 kg rohem Kraut. Das heisst, man kauft gut 11 kg Kraut ein, um die entfernten Teile zu kompensieren.
Hygiene ist ein zentraler Aspekt eines gelungenen Sauerkrauts. Alles, das in Kontakt mit dem Kraut kommt, muss sauber sein: Messer, Gefässe, Hände, ... Andernfalls kann Schimmel entstehen oder Hefe überhandnehmen und die Sauerkraut-Charge ruinieren. Bei den ersten Versuchen kann das leicht passieren; deshalb beginnen Sie mit kleinen Mengen.
Auch die Wahl des Krauts macht einen Unterschied. Kraut in Plastik verpackt aus dem Kühlregal ist eine schlechte Wahl; vermutlich befinden sich auf dem Kraut schon Mikroorganismen, die zum Verderb führen. Kaufen Sie möglichst frisches, unverpacktes Kraut, das nicht aus dem Kühlschrank kommt. Sauerkraut-Anfänger sind mit festen, dichten Kohlköpfen auf der sicheren Seite. Entfernt man die äusseren Blätter, ist Schimmelbefall unwahrscheinlicher. Auch vorgefertigte Starterkulturen aus dem Handel geben etwas mehr Sicherheit, dass man schlussendlich ein gutes, gesundes und lange haltbares Sauerkraut erhält.
Der bei der Herstellung von rohem Sauerkraut anfallende Sauerkrautsaft ist ebenfalls sehr wertvoll.
Veganes Rezept für rohen Sauerkraut-Salat
Zutaten (4 Portionen): 500 g frisches rohes Sauerkraut, 250 g Karotten, 3 Lauchzwiebeln (Winterzwiebeln), 2 kleine säuerliche Äpfel, 3 EL Zitronensaft, 1⁄2 Bund Dillkraut, 5 EL Essig, Salz, Pfeffer, 5 EL Rapsöl, 1 Stk. Salat (Endivie oder Kopfsalat).
Zubereitung: Sauerkraut grob hacken, Karotten waschen, schälen und fein raspeln. Lauchzwiebeln waschen und in feine Ringe schneiden. Äpfel waschen, Kerngehäuse entfernen, in dünne Spalten schneiden und mit Zitronensaft beträufeln. Für die Marinade den Dill waschen, trockentupfen und fein schneiden. Essig mit Salz (je nach Geschmack), Pfeffer, Zucker, Dill und Öl verrühren. Abgeschmeckte Marinade über die vorbereiteten Zutaten giessen, locker durchmischen und ca. 30 Minuten durchziehen lassen. In der Zwischenzeit den Kopf- oder Endiviensalat waschen und trockentupfen (oder schleudern) und auf einem Teller anrichten. Das Rohkost-Sauerkraut-Gemisch darauf verteilen und geniessen.
Passt gut zu: Burger, z.B. roh-veganer Zuccoti-Park-Burger mit Süsskartoffeln.
Vegane Rezepte mit Sauerkraut finden Sie unter dem Hinweis: "Rezepte, die am meisten von dieser Zutat haben".
Nicht nur Veganer oder Vegetarier sollten das lesen: Veganer essen oft ungesund. Vermeidbare Ernährungsfehler. |
Einkauf - Lagerung
Sauerkraut nicht pasteurisiert sucht man bei grossen Supermarktketten wie Lidl, Rewe, Edeka, Coop, Migros, Denner, Volg, Spar, Aldi, Hofer, Billa, Denn's Biomarkt oder Alnatura vergeblich. Man findet in der Regel nur herkömmlich konserviertes, also pasteurisiertes Sauerkraut. Mittlerweile ist frisches Sauerkraut in Rohkostqualität aber immer häufiger in Bioläden, Reformhäusern, Drogerien, auf dem Wochenmarkt oder im Internet verfügbar. Direktvertreiber verkaufen es auf Märkten auch lose/unverpackt. Es bleibt aber leider noch die Ausnahme, dass man Sauerkraut in Rohkostqualität (nicht über 42 °C erhitzt), mit noch lebenden Milchsäurebakterien, kaufen kann.
Ein Produkt, das lebende Mikroorganismen enthält, ist natürlich im Vertrieb sehr viel komplizierter und teurer als ein stabiles pasteurisiertes Produkt. Daher findet man rohes Sauerkraut hauptsächlich in kleinen, regionalen Naturkostläden. Und dort auch nur recht selten, dafür meist in Bio-Qualität. Mit etwas Recherche und einem höheren Budget für Lebensmittel können Sie rohes Sauerkraut kaufen. Aber man kann rohes Sauerkraut wie oben beschrieben auch preiswert und gut zu Hause zubereiten. In Mitteleuropa hat Weisskohl von Juni bis März Saison. Wobei die Hauptsaison im Herbst ist. Daher können Sie Bio-Sauerkraut (roh) kaufen oder selbst machen/lagern, wann immer Sie Lust darauf haben. Es ist durch die lange Haltbarkeit (theoretisch) das ganze Jahr über erhältlich.
Die Verfügbarkeit von rohem Sauerkraut ist je nach Grösse des Ladens, Einzugsgebiet etc. unterschiedlich. Unsere erfassten Lebensmittelpreise für die D-A-CH-Länder finden Sie oben unter dem Zutatenbild - und mit Klick deren Entwicklung bei verschiedenen Anbietern.
Tipps zur Lagerung
Bei Luftabschluss, hygienischer und kühler Lagerung bleibt rohes Sauerkraut durchschnittlich sechs Monate lang geniessbar. Da es sich um ein lebendes Produkt handelt, muss man stetig mit den Sinnen testen, ob das Sauerkraut noch gut ist.
Wie kann man verdorbenes Sauerkraut erkennen? Meistens riecht oder sieht man, ob das Kraut verdorben ist. Schimmel ist unter anderem ein Zeichen, dass das Kraut nicht mehr zum Verzehr geeignet ist. Andere Warnsignale sind:
Dunkles Kraut: Versagt das Gewicht zur Beschwerung des Sauerkrauts, sodass die Flüssigkeit das Kraut nicht luftdicht abschliesst, können bestimmte Bakterien und Hefen wachsen, die das Kraut nah an der Oberfläche verfärben. Ist zu wenig Flüssigkeit im Kraut vorhanden, kann es zu einer ungleichmässigen Salzverteilung kommen. Schwarze Punkte entstehen im Kraut, verursacht durch Verderbnissbakterien. Bei zu hoher Salzkonzentration können die zur Fermentation benötigten Bakterien nicht mehr leben. In den dunklen Flecken konnte man bis zu 9 % Salz finden und in der gleichen Charge Stellen mit nur 0,6 %. Genügend Flüssigkeit beugt diesem Problem vor!
Pinkes Kraut: Das Kraut kann sich rosa bis rot verfärben, wenn Luft hineinkommt. Denn es handelt sich um eine bestimmte aerobe Hefeart. Lässt man Sauerkraut offen stehen, entwickelt sich praktisch immer eine weisse Hefeschicht auf der Flüssigkeit. Gelegentlich, besonders bei hoher Salzkonzentration, entwickelt sich eine rosa Hefevariante. Die rosa Farbe vermischt sich dann langsam mit der restlichen Flüssigkeit im Kraut. Auch in Bereichen, in denen das Kraut nicht kompakt genug im Gefäss ist, können kleine Luft-Salz-Taschen entstehen, die es der rosa Hefevariante ermöglicht zu gedeihen.
Weiches Kraut: Auch dieser Verderb hängt mit dem Vorhandensein von Luft, der Salzkonzentration, erhöhter Temperatur und der damit verbundenen fehlerhaften Fermentation zusammen. Weiches Kraut kann auch entstehen, wenn die Fermentation nicht in der richtigen Reihenfolge abläuft. Die Ursachen sind zu hohe Temperaturen und zu wenig Salz.
Schleimiges Kraut: Schleimiges, zähflüssiges Kraut kommt nur selten vor. Bestimmte (nicht-Gas-erzeugende) Milchsäurebakterien, L. cocumeris und L. plantaru können die Ursache dafür sein. Sie wachsen besonders schnell bei höheren Temperaturen. Durch weitere Fermentation oder Erhitzen kann sich der Schleim auflösen.
Verrottetes Kraut: Durch Bakterien, Hefe, Schimmel oder Fruchtfliegen kann das Kraut zu verrotten beginnen; es stinkt und ist ungeniessbar. Das Kraut kann weich und schwarz erscheinen oder komplett zerfallen. Der unappetitliche Geschmack verteilt sich im ganzen Kraut. Das Kraut muss stets feucht und geschützt vor Insekten und vor aeroben Mikroorganismen sein. Es braucht höchste Sauberkeit bei der Herstellung von Sauerkraut.
Fehlgeschmack: Der Geschmack hängt von den Bakterien und der Reihenfolge deren Schaffens ab. Der Geschmack kann durchaus 'okay' sein, aber dennoch nicht besonders gut. Z.B. können nicht gasproduzierende Milchsäurebakterien, wenn sie zu früh wachsen können, einen scharfen, beissenden oder bitteren Geschmack produzieren. Eine zu schnelle Fermentation kann dazuführen, dass das Kraut roh schmeckt; der typische deftige Sauerkraut-Geschmack konnte sich nicht entwickeln.
Generell gewinnt Sauerkraut mit der Zeit an Geschmack; aber nur, wenn man Salzkonzentration (ca. 2,5 %), Temperatur (15–25 °C) und Hygienemassnahmen mit Bedacht wählt.3,4
In einer Dissertation aus dem Jahr 2022 untersuchte eine angehende Doktorandin Krankheitserreger in Sauerkraut. Sie kam zu dem Schluss, dass Salz, Milchsäurebakterien (LAB) und das saure Milieu in der traditionellen Sauerkraut-Fermentation das Wachstum aller lebensmittelbedingter bakterieller Krankheitserreger ausschliesst; inklusive potenzieller säuretoleranter Krankheitserreger wie E. coli O157 und L. monocytogenes.14
Der niedrige pH-Wert, die hohe Salzkonzentration und der Ausschluss von Sauerstoff, zusammen mit einer Lagerung im Kühlschrank macht Sauerkraut, trotz lebender Mikroorganismen, zu einem sicheren Lebensmittel.
Inhaltsstoffe - Nährwerte - Kalorien
Da man echtes Rohkost-Sauerkraut keiner Pasteurisation unterzieht, enthält es nicht nur reichlich Milchsäure, sondern auch noch die lebenden Milchsäurebakterien selbst.
Sauerkraut besitzt mit 21 kcal/100g eine sehr niedrige Energiedichte, ist fett- sowie proteinarm, enthält nur wenig Kohlenhydrate und viele Ballaststoffe. Ausserdem ist Sauerkraut ein guter Lieferant für Vitamine und Mineralstoffe.5
Zu beachten ist, dass der Gehalt an Kochsalz herstellungsbedingt in Sauerkraut mit 902 mg/100g sehr hoch ist. Als Konsequenz enthält Sauerkraut auch sehr viel Natrium (355 mg/100g).5,6
Vitamin K ist im rohen Sauerkraut mit 25 µg/100g gut vertreten;5,6 es enthält ähnlich viel dieses fettlöslichen Vitamins wie Erbsen oder Shimeji-Pilze. Vor allem grünes Gemüse, Kräuter und Salat haben viel Vitamin K: Frische Petersilie hat 1640 µg/100g oder Mangold 830 µg/100g.7 Es spielt eine wichtige Rolle im Blutgerinnungssystem und im Knochenstoffwechsel.
Mit 100 g rohem Sauerkraut kann man 25 % des Tagesbedarfs an Vitamin C decken – das ist in etwa eine kleine Portion. Ein deutlich besserer Vitamin-C-Lieferant ist z.B. der Gemüsepaprika (184 mg/100g).7
Die gesamten Inhaltsstoffe von Sauerkraut, die Abdeckung des Tagesbedarfs und Vergleichswerte mit anderen Zutaten finden Sie in unseren Nährstofftabellen. Im Artikel Nährstoffe umfassend erklärt bekommen Sie einen detaillierten Einblick in das Thema.
Wirkungen auf die Gesundheit
Ist rohes Sauerkraut gesund? Sauerkraut enthält Isothiocyanat. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass der Konsum von Isothiocyanaten die Häufigkeit von Brust-, Lungen- und Dickdarmkrebs verringert. 53 bis 150 μmol Isothiocyanat sollen ausreichen, um diesen krebshemmenden Effekt zu erzeugen. Damit könnten ein paar Portionen Sauerkraut pro Woche schon diese positive Wirkung auslösen.16
Während der Fermentation verarbeiten Bakterien Kohlenhydrate und Proteine zu biologisch aktiven Metaboliten, unter anderem kurzkettige Fettsäuren (short-chain fatty acids/ SCFAs) und biogenen Aminen. SCFAs vermitteln mehrere vorteilhafte Aktivitäten im Magen-Darm-Trakt: die Darmbewegung (Darmmotilität) und die Integrität der Darmbarriere profitieren davon. Hinzu kommen die antioxidative und entzündungshemmende Wirkung. Biogene Amine und natürliche Polyamine, wie Putrescin und aus Putrescin gewonnenes Spermin und Spermidin, sind in fermentierten Lebensmitteln häufig als Ergebnis der bakteriellen Decarboxylierung freier Aminosäuren vorhanden und spielen eine Rolle bei der Zellproliferation und -differenzierung. Natürliche Polyamine beeinflussen die Apoptose (kontrollierter Zelltod), die Proliferationsrate (Zellwachstum) und die zelluläre Differenzierung – wichtige Prozesse für die Gesundheit der Darmschleimhaut.
Das Essen von fermentierten Lebensmitteln wirkt sich signifikant positiv auf die Barrierefunktion des Darms aus. Die Darmwand soll uns davor schützen, dass Bakterien, Endotoxine, Antigene in Lebensmitteln und ähnliche Stoffe die Darmwand durchdringen und Entzündungen auslösen. Ist die Darmwand durchlässig (Syndrom des durchlässigen Darms/Leaky-Gut-Syndrom), führt das zu einer chronischen systemischen Entzündung. Diesen Zustand beobachteten ForscherInnen bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen (IBD), Reizdarmsyndrom (IBS), Diabetes, Fettleibigkeit und anderen chronischen Krankheiten. Die Ernährung scheint einer der wichtigsten Faktoren zu sein, die die Integrität der Darmbarriere beeinflussen. Mehrere Studien untersuchten die Rolle mikrobieller Metabolite aus der Nahrung bei der Regulierung der Darmpermeabilität. Einiges deutet darauf hin, dass Milchsäure und andere organische Säuren, die in fermentierten Produkten enthalten sind, die Integrität der Darmbarriere positiv beeinflussen und damit Entzündungen verringern können.17
Neben den enthalten gesundheitlich vorteilhaften Inhaltsstoffen sind im rohen Sauerkraut die verschiedenen lebenden Milchsäurebakterien besonders gesund für uns. In etwa 45-72 % der Bakterien schaffen es in unserem Verdauungstrakt zu überleben und können dort ihr gutes Werk verrichten.10,11 Jene Bakterien, die den harschen Gastrointestinaltrakt überleben, besiedeln den Dünn- und Dickdarm des Wirtes. Das wirkt sich positiv auf das mikrobielle Ökosystem des Darms aus, stimuliert das Immunsystem, reduziert das Risiko an bakteriellem oder viralem Durchfall zu erkranken und senkt den Cholesterinspiegel. ForscherInnen vermuten auch, dass Probiotika antimikrobielle Substanzen produzieren, die Pathogene davon abhalten, im Darm anzuhaften.18
Es gibt wissenschaftliche Hinweise, dass ein gutes Darm-Mikrobiom bzw. der Konsum von Probiotika, wie sie auch in rohem Sauerkraut enthalten sind, mit einer gesunden Psyche zusammenhängen könnten. Die wenigen Untersuchungen dazu beziehen sich auf Depressionen und Angststörungen.22,23
Sekundäre Pflanzenstoffe
Viele gesundheitliche Wirkungen von rohem Sauerkraut kann man auf die enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe zurückführen. Unser Artikel über sekundäre Pflanzenstoffe bietet einen Überblick über die Klassifizierung der Stoffgruppen, das Vorkommen in Lebensmitteln und mögliche Wirkungen auf den Menschen. Rohes Sauerkraut enthält u.a. folgende sekundäre Pflanzenstoffe:19
-
Alkaloide: Indol-3-Carbinol, Indol-3-Acetonitril, 3,3′-Diindolylmethan
-
Organische schwefelhaltige Verbindungen: Glucosinolate und deren Abbauprodukte; Isothiocyanate, Nitrile
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Weitere organische Verbindungen: Ascorbigen
Es ist jedoch zu beachten, dass die Zusammensetzung der sekundären Pflanzenstoffe in rohem Sauerkraut abhängig vom unverarbeiteten Kraut (Erntezeitpunkt, Sorte, Anbaubedingungen) und Zubereitung variieren kann. Daher sind Mengenangaben nur begrenzt sinnvoll und höchstens grob zu verstehen.
Gefahren - Unverträglichkeiten - Nebenwirkungen
Im Sauerkraut können gewisse gesundheitlich problematische Stoffe auftreten: biogene Amine, Nitrite und Pathogene. Histamine, Putrescine und Cadaverine sind die häufigsten biogenen Amine in fermentiertem Gemüse. Schlechte Hygiene oder das Wiederverwenden der Salzlake kann zu einem erhöhten Gehalt an biogenen Aminen führen. Auch die (guten) Milchsäurebakterien können biogene Amine erzeugen, aber unter dem toxisch wirkenden Schwellenwert. Das Rezept kann ebenfalls einen grossen Unterschied machen. So erhöht z.B. Fischsauce die Wahrscheinlichkeit, dass biogene Amine entstehen; während Zwiebeln dazu führen, dass weniger enthalten sind.20 Bei übermässigem Verzehr oder allgemeiner Intoleranz können Symptome wie Übelkeit, Atembeschwerden, Hitzewallungen, Schweissausbrüche, Herzklopfen, Kopfschmerzen, Ausschlag, Brennen im Mund und Hypo- oder Hypertonie auftreten.21,24
Nitrite können Nitrosamine formen, welche Krebserregend im Verdauungstrakt wirken können. Die Entstehung von Nitriten hängt ebenfalls mit dem vorherrschenden Mikrobiom zusammen. Knoblauch fördert scheinbar das Wachstum der guten Bakterien. Bioaktive Zusatzstoffe, wie etwa Polyphenole aus Apfelschale oder das Mikroelement Selen, können helfen, die Entstehung von Nitriten in Schach zu halten. Bestimmte Milchsäurebakterien können auch selbst das Nitrit abbauen.20
Massnahmen zur Vermeidung dieser Stoffe sind: Hygiene, strikter Sauerstoffausschluss, Temperatur zwischen 15 und 24 °C, frische hochwertige Zutaten, Starterkulturen und die richtige Salzkonzentration.
Volksmedizin - Naturheilkunde
Sauerkraut soll nach einer Antibiotikatherapie helfen, die sensible Darmflora wieder in Gang zu bringen.
Ökologischer Fussabdruck - Tierwohl
Der ökologische Fussabdruck von Weisskohl ist in der Regel gering. Eine Untersuchung von Greenpeace in Zusammenarbeit mit anderen Kooperationspartnern hat den CO2-Fussabdruck von Sauerkraut berechnet und kam auf 0,5 kg CO2eq/kg. Im Verhältnis zu den enthaltenen Makronährstoffen schneidet Sauerkraut jedoch nur etwas besser ab als durchschnittliche Lebensmittel und trägt somit nicht wesentlich zu einer klimafreundlichen Ernährung bei.25
Carboncloud hat auf Basis öffentlich zugänglicher Daten einen theoretischen CO2-Fussabdruck von 1,66 kg CO2eq/kg Sauerkraut berechnet. Diese Diskrepanz zeigt, dass der ökologische Fussabdruck je nach Methode und Datenlage variieren kann.26
Faktoren wie die Herkunft des Krauts, Anbaumethoden (biologisch vs. konventionell), Verarbeitungsprozesse und Verpackung beeinflussen den Fussabdruck erheblich. Daher ist es nachvollziehbar, dass es hinsichtlich des ökologischen Fussabdrucks von Sauerkraut starke Schwankungen geben kann.
Zum Wasser-Fussabdruck von Sauerkraut konnten wir leider keine Daten finden. Dies ist jedoch ein wichtiger Indikator für die Gesamtbewertung der ökologischen Nachhaltigkeit.
Ausführliche Erläuterungen zu verschiedenen Nachhaltigkeitsindikatoren (wie z.B. ökologischer Fussabdruck, CO2-Fussabdruck, Wasser-Fussabdruck) lesen Sie in unserem Artikel: Was bedeutet der ökologische Fussabdruck?
Weltweites Vorkommen
Sauerkraut ist besonders in den USA und Europa weitverbreitet. Fermentierte Lebensmittel sind allgemein seit jeher weltweit eine bedeutungsvolle Nahrungsquelle. Das asiatische Äquivalent zu Sauerkraut ist Kimchi aus Chinakohl. Dessen Konsum kann man bis 2000 Jahre vor Christus zurückverfolgen. Schon früh erkannte man die positiven Wirkungen des Sauerkrauts auf die Gesundheit. So empfahl Hippokrates 400 v. Chr. den Verzehr von Sauerkraut gegen Übergewicht, und die Römer konsumierten es zur Vorbeugung von Darminfekten. Im 18. Jahrhundert stellte Kapitän James Cook fest, dass in Holzfässern gelagertes Sauerkraut bei Seeleuten Skorbut (extremer Vitamin-C-Mangel) verhinderte und ass es fortan auf seinen langen Reisen.
Die industrielle Produktion von Sauerkraut begann 1830.15
Industrielle Herstellung
In der Fabrik kommt der gereinigte und zerkleinerte Kohl in den Gärbottich. Hinzu kommen, gleichmässig verteilt, zwei bis drei Prozent Salz. Mit einem schweren Deckel luftdicht abgedeckt, gärt das Kraut bei unter 15,5 °C für mindestens einen Monat. Die Fermentation ist abgeschlossen, wenn der pH-Wert des Sauerkrauts auf etwa 3,5 bis 4 gesunken ist und die titrierbare Säure (ausgedrückt als Milchsäure) etwa 1,5 % erreicht hat. Das Sauerkraut hat nun seine typische Säure, den Geschmack und die Textur erreicht.
Sauerkraut-Grossproduzenten verwenden Start-Kulturen; im kleineren Rahmen verlässt man sich aber auf die sogenannte spontane Fermentation. Milchsäurebakterien am frischen Gemüse und in der Umgebung, wie etwa Weisella spp., Leuconostoc mesenteroides, Levillactobacillus brevis, Lactiplantibacillus plantarum, und Pediococcus pentosaceus, sind an der Fermentation beteiligt.17
Die Fermentierung von Sauerkraut ist ein komplexer mikrobiologischer Prozess. Der traditionelle Prozess der spontanen Fermentation von Kohl verläuft in vier Schritten:
1. Die Fermentation startet, sobald sich das dicht komprimierte Kraut im Behälter befindet. Die Anzahl der aeroben Bakterien wie Pseudomonas, Flavobakterien und Acinetobakter nimmt sofort ab. Fakultative anaerobe Bakterien vermehren sich in den ersten zwei bis drei Tagen. Durch die entstehenden Säuren (Milch-, Essig-, Ameisen- und Bernsteinsäure) nimmt der pH-Wert ab.
2. Der Sauerstoffmangel, das Salz und das saure Milieu begünstigen das Wachstum von bestimmten Milchsäurebakterien, die bald die vorherrschenden Bakterien darstellen. Leuconostoc mesenteroides initiiert in der Regel die Fermentation. Unter idealen Bedingungen erreicht dieses Bakterium schnell eine hohe Dichte und erzeugt dabei Milchsäure und Essigsäure. Es handelt sich um ein heterofermentatives Milchsäurebakterium, es produziert CO2 und verdrängt dadurch Sauerstoff, was sich positiv auf den Vitamin-C-Gehalt und Farbe des Kohls auswirkt. Ein weiteres Bakterium in diesem Stadium ist Lc. fallax. Allmählich sind immer mehr Lactobacillus brevis vorhanden. Abhängig von der Temperatur sind diese zwei Abschnitte innerhalb von 3-6 Tages abgeschlossen. In dieser Zeit erhöht sich der Milchsäuregehalt auf 1 %.
3. Im dritten Schritt ist wieder ein Wechsel in der Bakterienkultur zu beobachten: homofermentative Bakterien der Gattung Lactobacillus sind nun die vorherrschenden Organismen. Die Milchsäurebakterien in diesem Abschnitt verwandeln den Grossteil der Kohlenhydrate (Glucose, Fructose und Sucrose) zu organischen Säuren, hauptsächlich Milchsäure und der Gehalt erhöht sich auf 1,5 bis 2 %. In Europa sieht man das Kraut bei in etwa 3,8-4,1 % als fertig an.
4. Nur frisches, unpasteurisiertes Sauerkraut durchläuft den allerletzten Schritt: Lb. brevis und andere heterofermentative Bakterien, die Pentose verarbeiten können, dominieren diesen Abschnitt und verringern den pH-Wert weiter auf 3,4.12
Weiterführende Informationen
Fermentierte Lebensmittel und Getränke machen schätzungsweise 1⁄3 aller unserer Lebensmittel aus.17
Der Vitamin-C-Gehalt des Kohls nimmt während der Fermentation ab. Zum Teil liegt das daran, dass Ascorbinsäure sehr anfällig für chemische und enzymatische Oxidation ist – daher ist es auch ein hervorragendes Antioxidationsmittel. Die starke Zerkleinerung des Kohls, wie auch in geringerem Ausmass die Lagerung, löst diese Prozesse aus.8 Vitamin C ist auch sehr empfindlich gegenüber Hitze. Interessanterweise verwandelt sich ein Teil des Vitamins während der Fermentation zu Ascorbigen. Aus Ascorbigen entsteht beim Kochen wieder Vitamin C.1 Je wärmer, umso schneller laufen chemische Prozesse ab. Daher geht das Vitamin-C beim Kochen schneller verloren.
Ein weiteres Thema im Zusammenhang mit Sauerkraut ist das Vitamin B12. Leider kommt nur wenig davon in Sauerkraut vor. Mehr B12 ist in Sanddorn oder fermentierten Petersiliensaft enthalten. Trotzdem scheinen pflanzliche oder fermentierte Quellen nicht ausreichend B12 zu enthalten, um den Bedarf zu decken. Da wir dieses Vitamin nur sehr langsam verbrauchen, kann sich eine Mangelversorgung auch erst nach Jahren zeigen.1,13
Die weitverbreitete Annahme, dass die Milchsäurebakterien zur Herstellung von Sauerkraut kein jodiertes Salz vertragen, scheint laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2018 nicht zu stimmen.9
Alternative Namen
Auf Englisch heisst das fermentierte Kraut ebenfalls 'sauerkraut'. Rohes Sauerkraut nennt man auch Frischkraut.
Literaturverzeichnis - 26 Quellen
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