Ökologischer Fussabdruck - Tierwohl
Der Anbau von Seetang kann grosse Mengen nährstoffreicher Lebensmittel für den menschlichen Verzehr erzeugen. Zudem scheinen Meeresfarmen im Vergleich zur Land-Bewirtschaftung nachhaltiger zu sein, da man für die Kultivierung von Seetang kein Frischwasser (Wasserfussabdruck), keinen chemischen Dünger und kein Land benötigt; was wesentliche negative Faktoren der Landwirtschaft sind.12
Zudem könnte die Algenproduktion viele überschüssige, durch Düngung ins Meer gelangte Nährstoffe aufnehmen und das Wasser davon reinigen. Auch für die Bekämpfung der Versauerung der Ozeane durch die zunehmende CO2-Konzentration in der Atmosphäre könnte die Algenproduktion einen Beitrag leisten. Die Produktion von 500 Millionen Tonnen Algen könnte 135 Millionen Tonnen Kohlenstoff absorbieren, was etwa 3,2 % des Kohlenstoffs entspricht, den man dem Meerwasser jährlich durch Treibhausgasemissionen zuführt.13 Weitere Studien und Experimente sind notwendig, um die Wirkung zu bestimmen. Insbesondere auch in welcher Form man das CO2 in den Algen langfristig speichert.
Eine LCA-Berechnung von Agar (veganes Geliermittel aus Rotalgen) kam auf einen CO2-Fussabdruck von -1,11 kg CO2eq/kg von der Rohstoffgewinnung bis zum Verlassen des Werkstors ('cradle to gate'). Der Anbau von Seetang hatte eine negative CO2-Ökobilanz mit -7,21 kg CO2eq/kg. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Kohlenstoffaufnahme durch Makroalgen die Kohlenstoffemissionen der Agarherstellung ausgleichen kann.24 Damit sind Rotalgen ein ausgezeichnetes Ausgangsprodukt. Zu Bedenken ist aber, dass Seetang als Nahrungsmittel Kohlenstoff nur kurzfristig speichert.26
Abgesehen von der hervorragenden CO2-Bilanz bietet der Anbau von Makroalgen viele sogenannte Ökosystemleistungen: er ist gut für die Meeresbewohner, vermindert Eutrophierung (zu viele Nährstoffe im Meer) und mindert die Ozeanversauerung.25 Aber natürlich kommt es auf die Umsetzung an und wir müssen vorsichtig sein, dass wir bei der Landwirtschaft zu See nicht die gleichen Fehler machen wie zu Land. Bio-Meeresprodukte sind, wie auch bei Land-Produkten, zu bevorzugen.
Ausführliche Erläuterungen zu verschiedenen Nachhaltigkeitsindikatoren (wie z.B. ökologischer Fussabdruck, CO2-Fussabdruck, Wasser-Fussabdruck) lesen Sie in unserem Artikel: Was bedeutet der ökologische Fussabdruck?
Weltweites Vorkommen - Anbau
In China, Japan und Korea ist Seetang seit prähistorischen Zeiten ein Grundnahrungsmittel. Doch auch die Menschen in Europa verwendeten früh einige Rotalgenarten. In einem isländischen Gesetzbuch des 10. Jahrhunderts sind Vorschriften für das Sammeln von Lappentang (Dulse; Palmaria palmata) erwähnt. Auch in Irland und Schottland verwendet man Dulse seit langer Zeit. Purpurtang (Porphyra spp.) ass man in Wales seit 1600 n. Chr. Knorpeltang (Irish Moss; Chondrus crispus) galt in Irland seit Beginn des 19. Jahrhunderts als Heilmittel. Andere Rotalgen dienten im Mittelmeerraum seit vorchristlicher Zeit als Färbe- und Wurmmittel.14
Der Verzehr von Meeresalgen in den westlichen Ländern hat in den letzten Jahren zugenommen. Dies liegt in erster Linie an den vorteilhaften Nährstoffen und der wachsenden Anzahl vegetarischer und veganer Personen, die sich gesünder ernähren möchten.8,10
Wichtige Anbaugebiete von Algen in Asien liegen in China, Japan, Korea und den Philippinen, in Nordamerika in Kalifornien und in Europa in der Bretagne. Über neun Millionen Tonnen Seetang erntet man pro Jahr weltweit. Davon sind 400'000 Tonnen Nori, woraus man Rotalgenblätter für Sushi macht.15
Wild zu finden
Marine Rotalgen kommen in allen Breitengraden vor. In gemässigten bis tropischen Gebieten ist ihr Vorkommen grösser als in polaren und subpolaren Regionen, wo Braunalgen und Grünalgen vorherrschen. Sie können in Tiefen von bis zu 200 m leben. Zudem gibt es einige Süsswasser-Rotalgen-Arten, die aber deutlich kleiner sind.3
Anbau - Ernte
Seetang kann man entweder an Felsenküsten wild sammeln oder aber künstlich anbauen. Beide Verfahren können nach Bio-Standards ablaufen. Bei der Wildsammlung ist auf saubere Sammelgewässer zu achten. Gesammelte Bio-Algen stammen daher von Gewässern fern von viel befahrenen Häfen, Abwassereinleitungen, Atomkraftwerken, konventionellen Aquafarmen oder sonstigen Schadstoffquellen. Zudem gilt es nachhaltig zu ernten, also nur so viel zu entnehmen, wie nachwachsen kann. Die Bestände müssen erhalten bleiben, sodass andere Meereslebewesen keinen Schaden von der Ernte nehmen.16
Die Methoden des Makroalgenanbaus sind vielfältig. Die Auswahl einer Algenart für den Anbau erfolgt nach dem Standort der Seetang-Farm und den Anbaumöglichkeiten (im offenen Meer, an Land, in den kalten Gewässern der gemässigten Zone oder in warmen Gewässern der Tropen), nach der Produktivität und Anpassungsfähigkeit einer Art, auf die dimensionalen Eigenschaften eines aquatischen Ökosystems (Grösse und Tiefe) und auch von Faktoren wie Bestrahlungsstärke, Temperaturen, Nährstoffen, Verschmutzung, Wasserbewegung und Grad der Wellenbewegung. Auch die Kosteneffizienz und der Verwendungszweck der Algen (für den menschlichen Verzehr oder als Futtermittel, als Quelle für Stoffe zur Herstellung von Polysacchariden oder Medikamenten) sind wichtige Kriterien für den Anbau von Makroalgen. Die Anbaumethoden lassen sich grob in zwei Hauptgruppen einteilen: extensiver und intensiver Anbau.17
Extensiv kultivierte Algen baut man in natürlichen Gewässern an, wobei man nur natürlich verfügbares Licht, Wärme, Wasser, Bewegungsenergie und Nährstoffe verwendet. Entweder nutzt man die natürlich vorkommende Algengemeinschaften oder führt Kulturen einheimischer oder auch nicht einheimischer Arten ein. Dies führt in der Regel zur Veränderung oder sogar Zerstörung der dort natürlich vorkommenden Biozönosen.17
Es gibt mehrere Methoden der Intensivkultur. Eine Methode ist die Kultivierung einer oder mehrerer Algenarten in Becken unter Verwendung von natürlichem oder künstlichem Licht, Nährstoffen und Phytohormonen. Die andere Methode besteht darin, Algen in kleinen natürlichen Gewässern (Teichen, Seen und Lagunen) zu kultivieren, organische und anorganische Düngemittel zu verwenden und agronomische Techniken wie Jäten, Reduzierung des Epiphytenwachstums, Regulierung des Lichts und der Wasserbewegung anzuwenden.17
Eine extensive Anbaumethode mit natürlich vorkommenden Algenarten ist im Sinne des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit anzustreben. Wie auch an Land darf man im Bio-Anbau nur organische Dünger anwenden. Bio-Betriebe müssen darauf achten, dass möglichst keine Nährstoffe aus der Algenfarm in die Umwelt gelangen.16
Weiterführende Informationen
Der Stamm der Rotalgen (Rhodophyta) umfasst zwei Unterklassen (Bangiophycidae und Florideophycidae) mit insgesamt sieben Ordnungen. Diese umfassen wiederum einige Familien, die ca. 500 Gattungen und schlussendlich 4000 bis 60002 Arten hervorbringen. Der Grossteil der Arten sind Meeresalgen - nur ca. 50 Arten aus 12 Gattungen sind Süsswasseralgen. Zudem ist die Grosszahl der Rotalgen mehrzellig mit sichtbarem Thallus (Vegetationskörper der Algen) - nur wenige Arten sind Einzeller.18
Die Rotalgen haben sich parallel zu den übrigen Algen-Stämmen (Grünalgen und Braunalgen) entwickelt. Der offensichtlichste Unterschied zwischen den Stämmen liegt in der Pigmentausstattung. Zudem fehlen den Rotalgen die begeisselten Fortpflanzungskörper.18
Bangiomorpha pubescens, eine Rotalge, markiert die früheste bekannte Ausprägung von Mehrzelligkeit und eukaryotischer Fotosynthese in der Fossilgeschichte. Die Alge ist älter als 800 Millionen Jahre.19
Einige Rotalgen-Arten beschreiben wir in einzelnen Artikeln: Limu Kohu (rote Hawaii-Alge), Knorpeltang (Irish Moss), Dulse (Lappentang; getrocknet), Rotalgenblatt (Nori). Zu den folgenden Braunalgen finden Sie ebenfalls Artikel: Laminaria (Kelp), Arame Alge, Blasentang, Kombu-Algen (getrocknet), Wakame. Wir schreiben darüber hinaus über die Blaualge (auch Cyanobakterie genannt) Spirulina.
Alternative Namen
Umgangssprachlich nennt man Seetang nur Tang. Rotalgen-Seetang kennt man auch als roter Seetang.
Die englische Bezeichnung für Rotalgen lautet red algae, für roten Seetang red seaweed.
Sonstige Anwendungen
Die beiden wichtigsten aus Rotalgen gewonnenen Polysaccharide sind Agar und Carrageen. Man setzt sie kommerziell als Verdickungsmittel, Stabilisatoren, Emulgatoren und Ballaststoffe in der Lebensmittelindustrie und Pharmaindustrie ein.3,5 Agar benutzt man zum Gelieren und Verdicken, insbesondere bei der Konservierung von Fisch und Fleisch. Auch bei der Herstellung von Schmelzkäse, Mayonnaise, Pudding, Cremes und Gelees findet das Polysaccharid Verwendung. In der Pharmazie dient Agar als inerter Träger für Arzneimittel, bei denen eine langsame Freisetzung des Wirkstoffs erforderlich ist, als Stabilisator für Emulsionen und als Bestandteil von kosmetischen Hautpräparaten, Salben und Lotionen. Carrageen gewinnt man in der Regel aus Wildpopulationen des Knorpeltangs. Carrageen verwendet man ähnlich wie Agar. Zur Stabilisierung von Emulsionen in Farben, Kosmetika und anderen pharmazeutischen Zubereitungen ist Carrageen besser geeignet.3 Auch wenn Carrageen (Carragen) für gesunde Menschen als unbedenklich gilt, sollen Menschen mit Darmproblemen Carrageen-haltige Speisen nicht regelmässig verzehren.29
Aufgrund des verhältnismässig hohen Gehalts an Calcium der Rotalgen setzt man diese gerne pflanzlichen Milchalternativen bei, um deren Calciumgehalt zu erhöhen. Zudem verwendet man Algenkalk, die mineralisierten Korallenablagerungen von Rotalgen, als Dünger in der Landwirtschaft und im Garten.20
Literaturverzeichnis - 18 Quellen
2. | Hamid SS, Wakayama M et al. Metabolome profiling of various seaweed species discriminates between brown, red, and green algae. Planta. 2019;249(6):1921–1947. |
3. | Lee RE. Phycology. 4. Auflage. Cambridge University Press: New York; 2008: 89-138. |
5. | Ismail MM, Alotaibi BS, El-Sheekh MM. Therapeutic uses of red macroalgae. Molecules. 2020;25(19):4411. |
8. | Darias-Rosales J, Rubio C et al. Risk assessment of iodine intake from the consumption of red seaweeds (Palmaria palmata and Chondrus crispus). Environ Sci Pollut Res Int. 2020;27(36):45737–45741. |
10. | Desideri D, Cantaluppi C et al. Essential and toxic elements in seaweeds for human consumption. Journal of Toxicology and Environmental Health, Part A. 2016;79(3):112–122. |
12. | Tiwari BK, Troy DJ. Seaweed sustainability – food and nonfood applications. In: Tiwari BK, Troy DJ (Ed.) Seaweed Sustainability. 2015:1–6. |
13. | Worldbank org Seaweed Aquaculture for Food Security, Income Generation and Environmental Health in Tropical Developing Countries. |
14. | Seaweed ie: Seaweed as Human Food. |
15. | Geo de: Was Sie über Algen wissen sollten. |
16. | Oekolandbau de: Makro- und Mikroalgen à la Bio. |
17. | Titlyanov EA, Titlyanova TV. Seaweed cultivation: Methods and problems. Russ J Mar Biol. 2010;36(4):227–242. |
18. | Spektrum de: Rotalgen. |
19. | Gibson TM, Shih PM et al. Precise age of Bangiomorpha pubescens dates the origin of eukaryotic photosynthesis. Geology. 2018;46(2):135–138. |
20. | Biologie-seite de: Rotalgen. |
24. | Zhang R, Wang Q et al. Environmental benefits of macroalgae products: A case study of agar based on life cycle assessment. Algal Research. 2024;78:103384. |
25. | FAO. Thinking about the future of food safety – A foresight report. New food sources and food production systems. Seaweeds. 2022. |
26. | Fujita RM, Collins JR et al. Carbon sequestration by seaweed: background paper for the Bezos Earth Fund - EDF workshop on seaweed carbon sequestration. Environmental Defense Fund, New York. 2022. |
29. | Pollmer U. Zusatzstoffe von A bis Z. Was Etiketten verschweigen. Deutsches Zusatzstoffmuseum. Hamburg. 2014: 64-65. |
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